Die Klimaziele des Bundes und die Notwendigkeit des schnellen Handelns betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, so auch die Landwirtschaft. Am Plantahof, dem Ausbildungszentrum für Landwirtinnen in Graubünden, erklärte uns Claudio Müller, Geschäftsführer Maschinenring, die komplexen Zusammenhänge in der Landwirtschaft und wie sie in Graubünden das Thema Klimaschutz aufgleisen. Und Walter Fromm, Graubündens Rebbaukommissär, zeigte auf, wie sich der Weinbau, vom Klima beeinflusst, verändert.

Fotograf: Ralph Feiner

Der Klimawandel betrifft alle, und besonders aber die Landwirtschaft. Er wird wie ein Komet wahrgenommen, dessen drohende Gefahr immer näher auf uns zukommt. Doch die Landwirte stehen auch zunehmend selber im Fokus der Klimadiskussion. Und so möchten die “Klimabauern” in Graubünden proaktiv dem Klimawandel begegnen (www.klimabauern.ch). Das Ziel ist, dass Graubünden der erste Kanton der Schweiz wird, in welchem Konsumentinnen die Sicherheit haben, dass die Produkte klimaneutral produziert sind.

Doch wie wird die Landwirtschaft klimaneutral? Die Zusammenhänge sind komplex. Es kann nicht einfach die Technik ausgetauscht werden wie in einem Gebäude oder Fahrzeug und damit ist die Sache erledigt. Es ist ein Zusammenspiel aus Tierfütterung, Hofdüngermanagement, Humusaufbau, Sortenzüchtung, Art der Landnutzung, Energieproduktion und Energiebedarf.

Um die klimaneutrale Landwirtschaft in Graubünden zu erproben, hat sich nun eine Projektgruppe formiert und Pilotbetriebe gesucht, um Massnahmen zu überprüfen. Die Anfrage war gross: 130 Betriebe haben sich beworben, mit 50 werden Pilotprojekte gestartet. Dazu gehört eine betriebliche Bilanzierung (wo entstehen welche Treibhausgase und in welcher Menge), Schulungen sowie eine wissenschaftliche Begleitung. Jedes Pilotprojekt untersucht unterschiedliche Massnahmen, um die Treibhausgase zu reduzieren, von der Umstellung der Fütterung von Milchkühen, um Methangasemissionen zu vermindern, über den Humusaufbau auf dem Feld bis hin zu Maschinen mit alternativen Antrieben.

Elementar für eine klimavernünftige Landwirtschaft ist ein belebter und gesunder Boden. Humus besteht zu 50% aus Kohlenstoff und ist sehr belebt. In einer Handvoll belebtem Boden hat es mehrere Millionen Lebewesen. In Frankreich gibt es die 4-Promille-Initiative: wenn die ganze Landwirtschaft weltweit den Humus jährlich um 4 Promille aufbauen, würde die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Zusammenhang mit menschlichen Aktivitäten deutlich reduziert.

Will jemand prüfen, wie belebt der Boden ist, gibt es einen einfachen Test. Man nehme eine Baumwoll-Unterhose und vergrabe sie im Garten. Ist sie nach einem Monat noch intakt, so ist der Boden tot. Je mehr Löcher, desto lebendiger ist der Boden. Das Projekt heisst “Beweisstück Unterhose” und hat eine eigene Webseite: https://www.beweisstueck-unterhose.ch/ Die Wurzel von heute ist der Humus von morgen. Wird Wurzelmasse abgebaut entsteht Humus.

Bei der Kuhhaltung sind die Methanemissionen bekanntlich ein grosses Thema. Durch Futterzusätze können diese Emissionen reduziert werden. So zeigt ein Pilotprojekt, dass die Verfütterung von Knoblauch die Methanemissionen reduziert. Allerdings führt dies bei den Kühen ähnlich wie bei den Menschen zu unangenehmen Ausdünstungen – und zu Knoblauchgeschmack in der Milch.

Um das komplexe Thema herunterzubrechen und die breite Palette an Massnahmen aufzuzeigen, haben die Klimabauern ein Heft publiziert, welches hier heruntergeladen werden kann: https://www.klimabauern.ch/projektbeschrieb-massnahmen (nach unten scrollen).

Veranstaltungshinweis: 30. Oktober, erster landwirtschaftlicher Klimagipfel, Plantahof. Auch Konsumentinnen und Konsumenten sind willkommen: https://www.klimabauern.ch/agenda-eintrag/1-landwirtschaftlicher-klimagipfel-graubuenden

Weinbau im Klimawandel

Der Klimawandel verändert auch die Bedingungen für den Weinbau in der Schweiz. War früher nur der Anbau von weissen Trauben möglich, so lässt das zunehmend wärmere Klima immer mehr rote Traubensorten zu. Jetzt können in der Schweiz verschiedene weisse und rote Sorten angebaut werden, aber nicht mehr die gleichen wie zu früheren Zeiten. Und in Zukunft werden es wieder andere Sorten sein. Zunehmend werden Sorten wie Sangiovese, Tempranillo und Petit Manseng Zugang in den Schweizer Weinbau finden. Die Sorten werden schwerer, es sind die heutigen Weinsorten aus Süditalien und Südfrankreich.

In Zukunft werden die Schweizer Weinreben auch ihr Laub länger behalten dürfen – zum Schutz vor Sonnenbrand und zu früher Reife. Grundsätzlich könnte die Schweizer Weinkultur vom Klimawandel profitieren, doch werden sich die Reben wohl zusehends in die Höhe verschieben. Die Entwicklung von sowohl der zukünftig nutzbaren Sorten als auch der idealen Plätze ist unklar.  Sicher ist nur, dass es Veränderungen geben wird. So zeigte Walter Fromm eine Europakarte von 2050 (bei +2°C Erwärmung), welche zeigt, dass es in Süditalien für Weinreben zu heiss wird, in Südengland jedoch der Weinbau interessant werden könnte.

Späte Kälteeinbrüche beziehungsweise frühe warme Tage schaden den Reben. Ein Trick, um einem Erfrieren bei Frost entgegenzuwirken, ist mehr Knospen an der Weinrebe zu lassen. Sie brauchen dann mehr Energie für den Austrieb was diesen verzögert und damit überstehen sie den Frost.

Auch die Weinproduktion ist mit Emissionen verbunden. Den grössten Anteil davon hat die Abfüllung (und Flaschenproduktion) sowie der Transport.

Die Fachstelle Weinbau des Plantahofs berät die Winzerinnen, bewilligt Neuanpflanzungen von Reben und führt das Rebbaukataster.

Am Tag nach der Veranstaltung im Plantahof geht die Wanderung weiter bis Schaan. Auf dem Weg durch die Bündner Herrschaft hält Klimaspuren vor einer gewaltigen Baustelle kurz vor Maienfeld. Hier war einst eine einsame Wiese als Übergang vom Rebberg zu einem Waldsaum. Philipp Zindel baut darauf ein Monument für Pferde, Wein und über 200 Rinder mit Tiefgarage, Schenke, Laden, Wohn- und Stallhäusern und allem Drum und Dran. Hier wird tatkräftig die Landwirtschaft für die nächsten 50 Jahre betoniert, sie hat anderes zum Ziel als die Klimafreundlichkeit. Da tröstet auch die Solaranlage nicht.

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Klimaspuren zieht das Fazit, dass die Landwirtschaft sich noch stark bewegen muss, und freut sich, dass mit dem Projekt der klimaneutralen Landwirtschaft Graubünden die Grundlagen dafür geschaffen werden. Es gibt noch viel zu tun und die Bündner Bauern und Landwirtinnen prüfen nun die ersten Schritte. Es bleibt zu wünschen, dass die Erkenntnisse breit gestreut und umgesetzt werden, so dass in der ganzen Schweiz bis 2030 Netto Null Treibhausgasemissionen erreicht werden können – auch in der Landwirtschaft. Zu begrüssen ist: Die Bäuerinnen und Bauern nehmen das Heft selber in die Hand. Claudio Müller zieht das Projekt als Leiter mit ihnen durch. Der Kanton finanziert es mit 6.4 Millionen Franken zur Umsetzung der ersten Etappe 2021-2025 (Pilotphase), seine Beamten führen aber nicht die Feder. 2026 bis 2030 ist eine Ausdehnung auf die ganze Bündner Landwirtschaft geplant (Expansionsphase), die gesamte Laufzeit des Projektes beträgt 10 Jahre.