Stundenlang läuft Klimaspuren dem Alpenrhein nach durch ein Pharaoprojekt aus dem 19. Jahrhundert. Und lernt, wie es mit 10 Milliarden Franken umgebaut werden soll.
Jedes Pünktlein auf der Fettwiese ist eine Klimaspurin, unterwegs dem Alpenrhein nach zwischen Montlingen und Mäder. Das Zotteln in der Reihe vom gebirgigen Teil des Fürstentum Liechtenstein in die Ebene hat in die Schwarmformation gewechselt. Jeder geht seinen Weg über das Vorland zwischen Fluss und Rheindamm. Eine pharaonische Landschaft, gebaut im 19. Jahrhundert mit Kanal, Vorländer, Dämmen, Drainagen, Kanälen, Böschungen und Auen. Die Hochwasser haben damit aufgehört. Die Launen des Klimas sind mit unvorstellbarem Krampf gezügelt worden. Die Bauern aus den Rheindörfern haben in Fronarbeit den breit mäandrierenden Fluss in einen Kanal gesperrt – jeder musste hundert Tage im Jahr mitbauen. Am Damm stehen noch die Ruinen der kleinen Eisenbahn, mit der Steine, Bäumen und Erde herbei gekarrt worden sind. Die monumentale Landschaft muss repariert werden, ihre weich gewordenen Dämme schützen die inzwischen dicht besiedelte Stadt am Alpenrhein nicht mehr. Klimaspuren trifft in Ruggell Andi Götz, den Geschäftsführer der «Werkstatt faire Zukunft». Zusammen mit Mario Broggi und Peter Goop arbeitet er mit an der Idee, den Rhein aus dem Kanal zu holen und ihn im breiten Bett als scheinbar frei fliessenden Alpenbach durchs Tal zu losten. Statt des heute mehr oder weniger toten Kanals, soll eine biodiverse Landschaft in die Alpenrheintal-Stadt gebaut werden, sie vor dem Hochwasser schützend, was wegen des Klimawandels hohe Anforderungen stellt. Denn die Wassermengen aus den Gebirgen werden anschwellen. Entstehen wird aber auch eine grossartige Landschaft, in der die Bewohnerinnen der Stadt am Alpenrhein viel Platz und Auslauf finden – und viel zauberhafte Schönheit. Sie müssen nicht mehr in die Karibik fliegen, sondern haben den Strand vor der Haustüre. Die Wanderer aber können nicht mehr schwärmen und die Bäuerinnen knurren, wenn sie kein Ersatzland erhalten. Das Anliegen der «Werkstatt faire Zukunft» ist keine Spinnerei – etliche Institutionen arbeiten am Vorhaben. An einigen Orten ist grosser Tiefbau schon am Tun, vor allem im unteren Teil des Alpenrheins bleibt noch viel politische, landschaftsarchitektische und wasserwirtschaftliche Arbeit zu tun – und finanzpolitische, denn der Rheinumbau wird um die 1 Milliarden Franken kosten.