Unter dem Titel “Das Klima braucht sozialen Wandel” haben Johanna Brandstetter und Christian Reutlinger vom Institut für Soziale Arbeit und Räume der OST Ostschweizer Fachhochschule zu einer Denkwerkstatt eingeladen. Reflektiert und weitergedacht werden sollten die sozialen Fragen, die sich angesichts des Klimawandels und möglicher Gegenmassnahmen ergeben. Neben VertreterInnen der OST waren verschiedene ExpertInnen und AktivistInnen aus unterschiedlichen Bereichen anwesend, darunter auch Mitwandernde von Klimaspuren.
Die Ausgangsfragen des Workshops lauteten:
- Welchen sozialen Wandel braucht es für einen wirkungsvollen Klimaschutz?
- Wie wollen wir zusammenleben in einer sich verändernden Welt?
In zwei Gesprächsrunden wurde diskutiert, wie im Rahmen des Klimaschutzes das Soziale, das Ökologische und schliesslich das Ökonomische zusammen gedacht werden können. Dabei wurden jeweils die Bezüge zur lokalen und zur globalen Ebene hergestellt.
Als Einstieg ins Gespräch lasen die ModeratorInnen einen Text über die Tafel (als Essensverteilstelle für armutsbetroffene Menschen) vor. Hier differenzierten sich für sie soziale und ökologische Fragen: Überproduktion und soziale Ausgrenzung kämen zusammen. Wichtig sei, dass man auch in der Klimadiskussion die Brille der anderen anziehe und die Frage stelle, welche sozialen Auswirkungen ökologische Projekte bzw. Klimaschutzbemühungen haben.
In der ersten Gesprächsrunde widmete sich die eine Diskussionsgruppe der lokalen Ebene:
- Die Tafel unterstütze unsere Überflussgesellschaft, statt sie zu bekämpfen, Grossverteiler würden sich damit ein grünes Mäntelchen umhängen.
- Ökologisches und Soziales müssten unabhängig von einander betrachtet werden, Veränderungen im einen oder anderen Bereich führen nicht automatisch zu Win-Win-Situationen. Der Nutzen des sozialen Wandels werde durch die Monetarisierung unserer Lebenswelten unsichtbar gemacht.
- Wichtig sei die Werthaltung, die übergeordnete Sichtweise und das Denken in Ambivalenzen.
- Das bekannte Motiv “global denken, lokal handeln” gelte auch für den Klimaschutz.
Die zweite Diskussionsgruppe befasste sich mit der globalen Ebene:
- Wer auf der Welt noch wieviel CO2 ausstossen dürfe, sei auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit.
- Die globale Verantwortung dürfe von keinem Staat und von keinem Unternehmen abgegeben werden.
- Der Fokus auf Eigenverantwortung sei problematisch, v.a. für Menschen, die kaum eine Möglichkeit haben, diese wahrzunehmen.
- Auf der anderen Seite nähmen die Konzerne ihre Eigenverantwortung nicht wahr, obwohl sie die Mittel dazu besitzen.
- Die ökologische Frage könne nicht gelöst werden, wenn die soziale Frage nicht gelöst werde, Bildung für nachhaltige Entwicklung müsse diesen Zusammenhang aufzeigen.
- Die umfassende Macht der global agierenden Konzerne verhindere Veränderungen für einen wirkungsvollen Klimaschutz und behindere die Staaten darin.
- Wir in den Ländern des globalen Nordens hätten den Klimawandel verursacht, jetzt verlangten wir vom globalen Süden, sich in Richtung Netto Null zu verändern.
In der zweiten Gesprächsrunde sollte vertieft werden, wie wir auf der lokalen und globalen Ebene handlungsfähig sein können. Die ModeratorInnen stellten die Frage nach den geeigneten grundlegenden Prinzipien: Wahlfreiheit versus Steuerung, Eigenverantwortung versus globale Verantwortung und Partizipation versus Paternalismus.
In der Gruppendiskussion wurde klar, dass die unterschiedlichen Probleme auf den verschiedenen dafür geeigneten Ebenen gelöst werden sollten. Das Subsistenzprinzip wurde dabei als sehr wichtig gesehen. Für den Aufbau einer widerständigen Praxis sei die Beteiligung der Betroffenen unabdingbar, gelungene politische Partizipation benötige aber viel Zeit.
Weitere Diskussionspunkte, die wir nicht abschliessend diskutierten, aber auf den Weg mitnehmen konnten:
- Wenn wir von “wir” sprechen, wer ist gemeint? “Wir” als ganze Gesellschaft in einer Demokratie, die ihren Namen verdient? “Wir” als KlimaaktivistInnen, die sich treffen, diskutieren und gemeinsame Aktivitäten entwickeln? “Wir” als Lehrende und Forschende, indem wir über unseren Schatten springen und uns trauen, Position zu beziehen?
- Wie gehen wir KlimaschützerInnen im reichen Norden damit um, dass die lange Geschichte, ja die ganze Schuld des Kolonialismus auf uns lastet?
- Müssen sich wirklich alle um das Klima, um die Zukunft der Welt kümmern? Können wir anderen vorschreiben, was sie zu tun haben?
- Welche Perspektiven eröffnen sich durch die aktuellen Entwicklungen hin zu einer «globalen Verfassung» (u. a. Pariser Klimaabkommen)?
In ihren Schlussbemerkungen dankten die ModeratorInnen für die intensive Diskussion, welche gezeigt habe, dass wir damit erst am Anfang stehen und dies sozialen Fragen in Bezug auf den Klimawandel unbedingt weiter gestellt werden müssten.
Beitrag auf SRF 2 Kultur und Gesellschaft: Link