Unter diesem Titel diskutierten im Naturama National- und StänderätInnen, die als Mitglieder der zuständigen Kommissionen in den nächsten Monaten die Schweizer Klimapolitik massgeblich mitprägen dürften: Kurt Egger, Nationalrat der Grünen, Ruedi Noser, Ständerat der FDP und Gabriela Suter, Nationalrätin der SP. Als weitere Diskussionspartnerinnen nahmen Myriam Roth, Co-Präsidentin des Vereins Klimaschutz Schweiz und Mitinitiantin der Gletscher-Initiative sowie Irmi Seidl, Umwelt- und Klimaforscherin an der Eidg. Forschungsanstalt WSL, teil.
Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stellt sich die Frage, wie es mit der Schweizer Klimapolitik weitergehen soll. Als nächstes wichtiges Geschäft steht die Gletscher-Initiative an, zu der der Bundesrat im Sommer seine Botschaft ins Parlament schicken wird. Diese von breiten Kreisen mitgetragene Volksinitiative verlangt, dass die Schweiz die Ära der fossilen Energien beendet und die menschengemachten Treibhausgas-Emissionen auf Netto-Null senkt. Die Initiative will die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Bundesverfassung verankern und so die Schweiz auf Klimakurs bringen. www.gletscher-initiative.ch
Moderator Christoph Keller fragte die Podiumsteilnehmenden zu Beginn, warum das CO2-Gesetz abgelehnt wurde. Für Irmi Seidl, selber Ökonomin, war die Ablehnung nicht zuletzt auch eine Niederlage für ihren Berufsstand. Das CO2-Gesetz sei eine liberale Vorlage mit stark ökonomisch orientierten Lenkungsinstrumenten gewesen. Aber das negative Verdikt eröffne nun immerhin die Möglichkeit, über die Ökonomie zu diskutieren. Die anwesenden ParlamentarierInnen waren sich darin einig, dass das Volksvotum keine grundsätzliche Absage an den Klimaschutz darstellte. Die Ziele des Pariser Klimaübereinkommens seien für die Schweiz weiterhin gültig. Aber die Kopplung der CO2-Abstimmung mit den beiden Landwirtschaftsinitiativen habe sich ungünstig ausgewirkt. Myriam Roth betonte, dass die Klimabewegung immer noch da sei. Und auch hinter der Gletscher-Initiative stehe eine Volksbewegung und wir sollten nun voll daraufsetzen.
Christoph Keller lenkt das Gespräch auf die Gletscher-Initiative und fragt, warum wir jetzt die Gletscher-Initiative bräuchten. Ruedi Noser, auch er Mitglied des Initiativkomitees, findet es wichtig, dass ein Grundsatzentscheid des Volkes für den Klimaschutz angestrebt wird. Er möchte darüber abstimmen lassen, ob in der Bundesverfassung ein Klimaschutzartikel verankert werden soll oder nicht. Myriam Roth betont, dass die Gletscher-Initiative bereit sei und dass man diese jetzt unterstützen könne. Es sei wichtig der Bevölkerung zu erklären was sie ohne Klimaschutz verlieren würde. Sie gibt sich optimistisch, dass die Gletscher-Initiative im Volk eine Mehrheit findet. Gabriela Suter gibt zu bedenken, dass auch die Gletscher-Initiative ein Umsetzungsgesetz fordert, über welches abgestimmt werde. Wir sollten einen steilen Pfad der CO2-Absenkung mehrheitsfähig mache, um im Jahr 2040 nicht vor unmöglichen Herausforderungen zu stehen. Kurt Egger fügt hinzu, dass wir uns für kommende Klimaabstimmungen wappnen sollten, indem wir die Frage der Kosten für die Bevölkerung offensiver thematisieren.
Die Gletscher-Initiative fordert, dass in der Schweiz ab 2050 keine fossilen Brenn- und Treibstoffe mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Vor diesem Hintergrund fragt Christoph Keller, ob ein Verbot der Fossilen nicht die demokratischste Lösung sei, weil es alle gleichermassen betrifft. Kurt Egger bejaht die Frage des Moderators, dass ein Verbot die sozialste Lösung sei, für den Bentley-Fahrer wie für den Besitzer eines Velosolex. Ruedi Noser befürwortet auch aus einer liberalen Position heraus, dass es am Schluss ein Verbot brauche. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es immer nicht vermeidbare Treibhausgasemissionen geben werde – das sei in der Gletscher-Initiative berücksichtigt. In anderen Bereichen des Umweltschutzes sei man mit Verboten schlussendlich auch gut gefahren. Irmi Seidl demgegenüber warnt vor einem allzu offensivem Umgang mit Verboten, da diese in einem traditionell liberalen Land wie der Schweiz nicht so gut ankämen.
In der weiteren Diskussion mit dem Publikum geht es um die Frage, wie die Gletscher-Initiative eine Mehrheit erringen könne, wenn dies dem CO2-Gesetz nicht gelungen sei. Betont wird, dass es wichtig sei, die ländliche Bevölkerung zu erreichen und von der Notwendigkeit des Klimaschutzes zu überzeugen. Denn das Ständemehr sei nur zu schaffen, wenn auch eher konservative Kantone wie Schaffhausen, Glarus und St. Gallen mehrheitlich zustimmten. Dabei gehe v.a. auch darum, die weniger verdienenden und eher bildungsfernen Schichten mitzunehmen. Myriam Roth glaubt daran, dass dies möglich sei, da die Gletscher-Initiative vom Ansatz her anders gelagert sei als frühere Vorlagen zum Umweltschutz, am ehesten sei sie mit der Alpen-Initiative zu vergleichen. Man/frau vertrete die Anliegen volksnah und praxisorientiert. Allgemein ist sich die Runde einig, dass es nötig ist, in weiteren Volksabstimmungen eine politiasche Legitimierung für den Klimaschutz zu schaffen und die KlimaleugnerInnen in die Defensive zu drängen.
Siehe dazu auch: Was nun? Was tun? Acht Antworten von Klimaspuren – Traces du Climat