Es war bisher ein seltenes Ereignis, dass die Alpen-Initiative und der Schweizer Alpen-Club SAC eine gemeinsame Veranstaltung organisieren. Beide Organisationen widmen sich dem Klimawandel in den Alpen, dessen Ursachen und Folgen. Denn der Klimawandel zeigt sich in den Bergregionen besonders deutlich. Die Alpen sind aber auch Verursacher – zahlreiche Aktivitäten in den Bergen sind heute wenig klimafreundlich, wie Jon Pult von der Alpen-Initiative und Benno Steiner vom SAC in ihren Einführungen deutlich machten.

In ersten Inputreferat zeigte Jürg Schweizer vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF auf, welche drastischen Folgen der Klimawandel in den Alpen hat. Bis ins Jahr 2060 werde die Temperatur um vier bis sieben Grad steigen, bereits heute sei es zwei Grad wärmer seit der vorindustriellen Zeit. Die Jahre 2018 und 2019 seien die beiden wärmsten seit Messbeginn. Der Gletscherrückgang seit Messbeginn liegt um die fünfzig Prozent des Volumens, bis 2050 wird nochmals die Hälfte davon abschmelzen. Schweizer erläutert weitere Veränderungen und Gefahren, die durch die Klimaerwärmung entstehen: Anstelle der Gletscher entstünden in Übertiefungen neue Seen, von denen neue Gefahren ausgehen. Der Permafrost, der ständig gefrorene Boden oberhalb von ca. 2500 m ü.M. taue auf, wodurch die Hänge instabil würden. Eine ständige Überwachung der lokalen Situationen sei sehr wichtig. Die Schneemenge nehme in tieferen Lagen weiterhin deutlich ab; in hohen Lagen ab 2500 m ü.M. sei demgegenüber vorerst etwas mehr Schnee zu erwarten. Bis Mitte des Jahrhunderts dürfte es auch für die künstliche Beschneiung der Skipisten zu warm werden. Dass es wärmer werde bedeute nicht, dass keine Grossschneefallsituationen mehr auftreten, im Gegenteil könnten Starkniederschläge sogar häufiger werden. Dabei verändere sich das Fliessverhalten von Lawinen, die weiterhin eine grosse Gefahr darstellten. Im Weiteren werde der Schutzwald u.a. durch Steinschlag, Feuer und Wind anfälliger und hätte eine verminderte Schutzwirkung.

Im zweiten Inputvortrag beschäftigte sich Katharina Conradin von der CIPRA mit den Alpen als Mitverursacherin des Klimawandels. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Berggebiete seien von den Folgen des Klimawandels stark betroffen, aber sie seien auch mitverantwortlich dafür. Insgesamt nehme der Verkehr in den Alpen als auch in der ganzen Schweiz weiter zu. Die CO2-Emissionen nähmen nicht ab, wie das der Bund eigentlich vorgesehen habe. Dabei sei die Verkehrsleistung in den Bergregionen etwas höher als im Rest der Schweiz, demgegenüber würde weniger geflogen. Im Bereich der Landwirtschaft sei die Herstellung der (klimaschädlichen) Milchprodukte geringer als im Mittelland, dafür werde mehr Fleisch produziert. In den Alpenregionen werde mehr fossilfrei geheizt als im Mittelland, v.a. mit Holz. Ein wichtiger Treiber des Klimawandels in den Alpen sei der Tourismus mit seinen vielfältigen Aktivitäten (Mobilität, Infrastrukturen, Konsum usw.). Zusammenfassend bilanzierte Conradin, dass in den Alpen höhere Tagesdistanzen auf der Strasse zurückgelegt und mehr tierische Produkte erzeugt werden, dafür entstehe etwas weniger CO2 beim Heizen.

In der Diskussion befragte Django Betschart von der Alpen-Initiative die Teilnehmenden des Podiums. Hinzu gekommen sind nun Françoise Jacquet, die Präsidentin des SAC sowie Dominik Siegrist vom Klimaspuren-Kernteam.

Dominik Siegrist bestätigte, dass die Alpen vom Klimawandel besonders stark betroffen seien, insbesondere durch die sich mit der Erwärmung verstärkenden Naturereignisse. Die Erfahrungen der Weitwanderprojekte whatsalp 2017 und nun Klimaspuren bestätigten dies. Die Bergregionen müssten aber auch ihren Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, am Schluss wollten wir überall bei Netto Null sein, in den Alpen als auch im Unterland.

Françoise Jacquet sieht den SAC mittendrin im Brennpunkt Klimawandel. Die Infrastruktur des SAC, z.B. Hütten und Wege, komme zunehmend unter Druck. Der Bergsport trage aber auch einiges zum CO2-Ausstoss bei, insbesondere durch die Anreise mit dem Auto. Mit seiner Klimastrategie wolle der SAC daher auf den verschiedenen Ebenen ansetzen. Mit der Unterstützung der Gletscher-Initiative zeige der SAC, dass es ihm die Erreichung des Ziels Netto Null wichtig sei.

Jon Pult erläutert, weshalb sich die Alpen-Initiative über den Transitverkehr hinaus nun stärker im Klimaschutz engagiert. Derzeit fehle in der Schweiz eine Klimaschutzorganisation, die sich speziell mit der Situation der Alpen befasst. Wenn wir in der Schweiz Netto Null mehrheitsfähig machen wollten, brauche es dafür ein verstärktes umweltpolitisches Engagement in den Bergregionen.

Jürg Schweizer verweist auf die wichtige Rolle der Wissenschaft für die Anpassung an den Klimawandel und für die Etablierung wirkungsvoller Klimaschutzmassnahmen. Auch wenn für ihn die Rollentrennung zwischen Wissenschaft und Politik wichtig sei, brauche es engagierte Forschende, welche in der Lage sind, für die Politik relevante Daten zu bereitzustellen. Ohne diese seien die Ziele des von der Schweiz ratifizierten Pariser Übereinkommens kaum erreichbar.

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