Ein Beitrag von Prof. Simone Stürwald zum Klimaspuren-Programm vom 4. Juni.

Mit den Inputs aus dem Interview mit Peter Zumthor im Kopf ging es weiter Richtung Landquart. Bei einer Mittagsrast am Rhein und mit Blick auf das Zementwerk in Untervaz, hatte ich Gelegenheit das Thema Materialverwendung und Klimaschutz am Beispiel Zement wieder aufzugreifen.

Zement ist das Bindemittel für den Baustoff Beton. In der Schweiz werden pro Jahr rund 40 Millionen Tonnen Beton verbaut. Das Bindemittel Zement macht in der Betonrezeptur nur rund 12% aus, aber die gesamte Zementproduktion für den hiesigen Beton verursacht rund 8% der jährlichen CO2-Emisionen.

Ist Zement damit ein Klimakiller?

Und warum sind die CO2-Emissionen so hoch?

Klassischer Portlandzementklinker wird aus Kalkstein, Ton und Mergel gewonnen. Damit daraus ein reaktives Bindemittel für die Betonproduktion wird, müssen die Rohstoffe bei fast 1500°C gebrannt werden. Dafür benötigt es Brennstoff. Früher wurde Kohle verwendet, heute nimmt man Abfall- und Reststoffe wie Altreifen oder Trockenklärschlamm und vermeidet so die Nutzung weiterer fossiler Brennstoffe. In dem Prozess muss aus dem Kalkstein (CaCO3) der CO2-Anteil ausgetrieben werden, damit daraus ein reaktives Bindemittel wird. Dieser CO2-Anteil aus dem Gestein macht im Gesamtprozess ca. 60% des CO-Ausstosses aus. Da diese Calzinierung zwingend ist, lässt sich der sogenannte geogene CO2-Anteil nicht reduzieren. Man darf sich vor Augen halten, dass hier bestens im Kalkstein gelagertes CO2 mit sehr grossem Aufwand freigesetzt wird, was wir später wieder mühsam versuchen zu binden.

Ein Dilemma – was tun?

Die Zementindustrie in der Schweiz und in Europa hat sich eine Roadmap (https://www.cemsuisse.ch/app/uploads/2021/04/Cemsuisse_Roadmap_210422.pdf) auferlegt, die den Baustoff klimaneutral machen soll. Wichtige Eckpunkte sind alternative Brennstoffe und  Prozessoptimierung in der Zementproduktion, das Mischen der Zementklinker mit weiteren Zumahlstoffen wie Gesteinsmehl zu Kompositzementen, Carbon Capture Technologien oder die Rekarbonatisierung des Betongranulats nach dem Abbruch.

Jedoch lohnt es sich auch, darüber hinaus zu denken. Es gibt viele Stoffe, die eine zementähnliche, reaktive Zusammensetzung haben und als alternative Bindemittel nutzbar sind. Klassiker, die von der Zementindustrie schon länger genutzt werden, sind mit Hüttensand, Flugasche und Silikastaub Abfallstoffe aus Stahlwerken und Kohlekraftwerken. Einige gute neuere Beispiele, die sich meist derzeit im Pilotstadium befinden, sind kalzinierte Tone (LC3), CSA-Zemente, natürliche Puzzolane oder Aschen aus pflanzlichen Reststoffen. Abgesehen davon, kann die notwenige Zementmenge in der Betonrezeptur reduziert werden, wenn die Gesteinskörnung so optimiert wird, dass nur sehr wenige Hohlräume durch Wasser und Zement gefüllt werden müssen.

Letztlich bauen wir mit Beton Bauteile und Tragwerke, die für uns eine bestimmte Funktion erfüllen sollen. Ziel ist es, dass nicht nur das Material klimafreundlicher wird, sondern die Umweltauswirkungen für eine gesamte Baustruktur minimiert werden und diese dann möglichst lange erhalten bleibt.  Das erreichen wir durch materialsparende Tragwerke, materialgerechten Einsatz unserer Baustoffe, neue Ansätze des Bauens. Es sind viele Punkte, die miteinander kombiniert werden sollten. Bei der Optimierung können uns moderne digitale Hilfsmittel wie Tools auf Basis künstlicher Intelligenz unterstützen.

Aber die wohl wichtigste Frage des nachhaltigen Bauens steht ganz am Anfang eines jeden Projektes: Muss überhaupt (neu) gebaut werden?

Damit schliesse ich das Thema ab und bedanke mich, dass ich dabei sein durfte. Klimaspuren ist eine wunderbare Aktion und ich wünsche allen Teilnehmer viele gute Diskussionen.

Prof. Simone Stürwald
Institutspartnerin Institut für Bau und Umwelt, OST Ostschweizer Fachhochschule