Carmelia Maissen, die Gemeindepräsidentin von Ilanz schickte Klimaspuren mit einer lesenswerten Rede auf Wanderschaft:

Liebe Klimawanderinnen und Klimawanderer
Preziadas damas, stimai signurs

Cordial beinvegni cheu silla plazza cumin da Glion nua che vus semettis oz sin in viadi atras la Svizra e silla tscherca da fastitgs en connex cun fenomens dil clima. Tals vegnis vus ad anflar, enqualin dat da patertgar, auters vegnan a far speronza ed arver perspectivas.

Es ist schön, dass Sie Ihre Wanderschuhe just in Ilanz, der ersten Stadt am Rhein, zum ersten Mal binden für die grosse Tour durch die Schweiz.

Bei der Vorbereitung meiner Begrüssung habe ich mich gefragt, wieso die Klimaspuren ausgerechnet in Ilanz starten. In diesem Winter hatten wir Schneerekorde am Laufmeter, noch letzte Woche musste ich meinen Tavetscherofen heizen, so frisch waren die Temperaturen Ende Mai und unsere Matten sind saftig grün wie in Irland. Kein Grund zur Sorge also?

Natürlich, denn Wetter ist nicht Klima, und mit der Physik lässt sich nicht verhandeln.

Woran spüren wir den Klimawandel am meisten? Längere Trockenperioden, stärkere Einzelniederschläge und schneeärmere Winter. All diese Phänomene spüren wir als Gemeinde direkt.

Beispiel 1:

Der heisse und sehr trockene Sommer 2019 hat dazu geführt, dass unsere Wasserversorgung knapp wurde. Gleichzeitig brauchten die Leute viel Wasser um ihre Gärten zu begiessen. Wir mussten einen Aufruf machen und die Leute bitten, ihren Wasserverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Zum Glück hat das sofort geklappt und die Wasserreserven haben gereicht. Aber die Verteilung des Wassers wird uns künftig noch stark beschäftigen. Wer soll wann wieviel Wasser wofür erhalten? Denn auch die Landwirtschaft leidet in einer derartigen Situation und hat Ernteverluste.

Ein trockener Sommer bedeutet auch Waldbrandgefahr. Kanton und Gemeinden mussten Feuerverbot erlassen. Und es brauchte ein Feuerwehrkorps, dass noch stärker ständig auf der Hut ist. Notabene bei einer Milizfeuerwehr.

Beispiel 2:

Auf unserem Gemeindegebiet, das halb so gross wie der Kanton Zug ist, haben wir rund 200 km kommunale Strassen, davon ein grosser Teil Wald- und Meliorationsstrassen, zum Teil unbefestigte. Wenn es nach langen Trockenperioden zu starken Niederschlägen kommt, kann dies zu grossen Schäden an den Naturstrassen führen. Deshalb müssen die Werkmitarbeiter vermehrt darauf achten, dass sie vor starkem Regen die Querabschläge von Naturstrassen kontrollieren und reinigen, damit das Wasser auf den harten ausgetrockneten Oberflächen abfliessen kann und nicht die Strassen auswäscht. Der Klimawandel sorgt dafür, dass der Unterhalt an solchen Infrastrukturen intensiver wird.

Beispiel 3:

70 Prozent unseres Waldgebiets ist Schutzwald, der unsere Dörfer und Strassen vor Naturgefahren schützt. Dafür muss der Wald aber gesund und stark sein. Das wärmere Klima aber verändert die Stabilität der bis anhin hier verbreiteten Baumarten im Schutzwald. Deshalb müssen wir nun gut überlegen, welche Bäume in Zukunft geeignet sind, um unter den veränderten Bedingungen als Schutzwald zu funktionieren. Das ist ein Generationenprojekt. Tun wir diese Aufgabe heute nicht richtig, werden die Folgen erst übermorgen sichtbar.

Zum Glück finden sich in unserer Gemeinde auch Klimaspuren der anderen Art, solche die zeigen, dass es in unserer Hand liegt, etwas zu tun.

Die Gemeinde Ilanz/Glion und bereits früher die Stadt Ilanz trägt das Energiestadt-Label und hat sich damit schon vor Jahren auf den Weg gemacht zu weniger Emissionen und mehr Einsatz von erneuerbaren Energien.

So macht ein Holzheizkraftwerk aus Altholz Fernwärme und heizt das Rathaus, das Spital, das Altersheim, das Schulhaus und viele private Stuben. Kürzlich haben wir den Platz geschaffen, damit ein Holzgaskraftwerk mit einer Pelletieranlage gebaut werden kann. Auf unseren Schulhausdächern und vielen anderen stehen immer mehr Solaranlagen. Und eben kürzlich hat eine Studentin die Arbeit aufgenommen, um für die Gemeinde erste Gedanken für eine Klimaanpassungsstrategie zu liefern.

Nun hoffe ich, dass Sie gutes Schuhwerk an den Füssen, genug Wurst im Rucksack und viel Energie in den Beinen haben. So wünsche ich Ihnen ein gutes Klima, vom Himmel herab und in der Wandergruppe, spannende und inspirierende Spuren und gebe gerne das Wort wieder dem Wanderleiter Köbi.

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