Der Mormont ist ein geschichtenreicher Hügel bei La Sarraz im Waadtland. Holcim macht aus ihm Zement, die Klimabewegung erlitt hier eine schwere Niederlage. Doch es gilt das Menetekel: «Pas fini!».

«Pas Fini!» steht in gelben Versalien auf dem kleinen Blockhaus des Mormont. «Noch ist nicht aller Tage Abend». Dazu ein gespreiztes Ausrufezeichen in Rot. Rechts des Hüttchens eine rotweisse Kette: «Privatgrund. Betreten verboten.» Als Hintergrund-Musik röhren die riesigen Caterpillar-Bagger und Traktoren der Holcim, die den Kalkstein des Mormont abtragen. Sie treiben eine gut 300 Meter breite und 200 Meter tiefe Schneise durch den Mormont. Den Steinbruch verwandelt eine Fabrik am Fuss des Hügels in Zement.

Der Mormont ist eine erdgeschichtliche Attraktion. Im langen Becken zwischen dem Neuenburger See und dem Lac Leman hob er sich 600 Meter hoch auf, während das Tal sich senkte. Er ist ein Grosslager für die Bauwirtschaft schon im Mittelalter. Die Menschen haben seinen schönen Stein abgebaut für Herrschaftshäuser und Kirchen. Seine Eichen haben die frühe Industrialisierung angeheizt und ihr Tanin hat die die Ledergerbereien von La Sarraz ermöglicht. Der Berg ist imprägniert von Geschichte, die zurückgeht bis auf die Via Quotidiana der Römer, die für West-Ost und Nord-Süd an seinem Fuss Strasse war für Pilger, Händler und Soldaten. Er ist voller Überreste der Helveter, die hier hausten. Er ist schliesslich ein Hort der Botaniker, Schmetterlingsforscherinnen und Naturschwärmer.

Und so hat die Klimabewegung mit Bedacht auf den Mormont gesetzt, denn er hat mit all dieser Geschichte das Zeug zum heiligen Berg. Hier wirken Gier und Klimavernichtung exemplarisch. Hier kann der Gesellschaft und Wirtschaft, die die Welt in den Abgrund treiben, der Prozess gemacht werden. Und also hat die militante und mutige Avantgarade der Bewegung gerufen: «Fertig lustig. So nicht mehr. Keine Zerstörung mehr für Zement, dessen Herstellung uns zerstört. Wir sitzen auf die Bäume des Mormonts und binden uns an sie.» Ein halbes Jahr dauerte der Widerstand. Die Staatsmacht setzte schliesslich im März dieses Jahres ohne Pardon ihre Raison durch, verjagte die Aktivistinnen, nahm sie fest, klagt sie an.

Klimaspuren lud die Verjagten und den Direktor der örtlichen Holcim auf den Mormont ein. Der temperamentvolle Wutschnaub der Sprecherin der verjagten und angeklagten Besetzerinnen hat mich melancholisch berührt, denn sie und ihre Freundinnen sind auf der ganzen Linie zurückgewiesen worden. Das Verständnis des Holcim-Direktors für den Widerstand, seine Beteuerung, wie der Kalkabbau mit den Gemeinden, den NGOs, dem Bund, dem Kanton, den Gemeinden, den Naturwissenschaftern abgesprochen sei, gibt der Niederlage der Klimabewegung eine süss-bittere Note: «Wir haben alles richtig gemacht. Ihr seid die verirrten Schäflein.»

Es bleibt das «Pas fini!», aufgemalt auf dem gestrickten Holzunterstand. Immerhin: Den erfolglosen Widerstand haben die Aktivistinnen erfolgreich in die Öffentlichkeit getragen. Der Zementdirektor muss sich verteidigen. Er macht das, wie heutige Direktoren das machen: «Im Prinzip bin ich einer von Euch.» Bald aber werden seine Sprengmeister vor dem Spruch die Sprengladung rüsten. «Pas Fini!» aber ist das Menetekel des Mormont.

«Pas Fini!» Das Menetekel des Mormont im Waadtland.
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