Am Limmetspitz beim Zusammenfluss von Aare und Limmat erwartet uns Norbert Kräuchi, er ist Leiter der Abteilung Landschaft und Gewässer beim Kanton Aargau. Der Naturschutzfachmann berichtet uns darüber, wie das Wechselspiel von Hitze, Trockenheit und Hochwasser zur neuen Normalität wird und wie der Kanton Aargau damit umgeht.

Norbert Kräuchi steigt mit der Frage ein, ob wir wüssten, wie viel Wasser seit unserem Start in Baden vor zwei Stunden die Limmat hinuntergeflossen sei. Unsere Schätzungen liegen alle viel zu tief, es ist nämlich die Menge von mehreren Milliarden Litern. Er erläutert sodann, dass nur noch 16 Kilometer der Aare zwischen Bielersee und Rhein frei und ungestaut fliessen. Dies ist zu einem schönen Teil das Verdienst des Auenschutzparks Aargau, der in seinem Pioniercharakter schweizweit Beachtung gefunden hat. Dieser entstand nach einer Volksinitiative in den 1990er-Jahren und umfasst grossräumige Revitalisierungen entlang der Aare. Kräuchi betont, dass solche Gewässerrevitalisierungen Massnahmen erster Güte für die Anpassung an den Klimawandel seien.

Bei Windisch vereinigt sich die Aare mit der Reuss, bei Untersiggenthal mit der Limmat. Auf kurzer Strecke fliesst hier das Wasser aus 40% der Gesamtfläche der Schweiz zusammen. Die drei Flüsse bringen im Durchschnitt 555 m3 Wasser pro Sekunde, bei Hochwasser kann die Menge bis viermal grösser werden. Neben dem Naturschutz war die davon ausgehende Überschwemmungsgefahr ein weiterer Grund dafür, dass der Kanton die Notwendigkeit einer Revitalisierung der Aare unterstützte. Bereits 1989 schützte die Aargauer Regierung diese einmalige Landschaft von nationaler Bedeutung mit dem Wasserschlossdekret. Nur vier Jahre später beschloss das Aargauer Volk, die Schaffung eines Auenschutzparks als kantonale Aufgabe in der Verfassung zu verankern. Das Wasserschloss ist das Herzstück dieses Parks. Seit 1994 läuft das Renaturierungsprogramm, das unterdessen an vielen Stellen abgeschlossen ist.

Hier am Limmetspitz beim Zusammenfluss von Aare und Limmat ist in Zusammenarbeit von Kanton Aargau und Pro Natura ein Schutzgebiet entstanden. Die harten Uferverbauungen wurden entfernt, ehemals intensiv genutztes Kulturland extensiviert. Heute besteht ein Mosaik aus vielen Auenteillebensräumen mit dynamischen Ufern, Kiesbänken, Weidenjungwuchs, Tümpeln, Auenwald. Die regelmässige Pflege erfolgt mit robusten Rinderrassen. Der neu erbaute Fussgängersteg mit Aussichtsplateau erlaubt schöne Ausblicke auf den renaturierten Limmatspitz.

Auch wenn die Folgen des Klimawandels weniger dramatisch sein sollten als derzeit angenommen, ist die Revitalisierung der Gewässer die beste no regret Massnahme (also eine Massnahme, die nicht bedauert wird). Denn der Nutzen einer Revitalisierung ist enorm, gefährdete Arten überleben nur, wenn sie genügend und v.a. miteinander vernetzte Lebensräume erhalten. Gerade unter den sich mit dem Klimawandel verändernden Rahmenbedingungen wir die Förderung der sog. ökologischen Infrastruktur immer wichtiger.

Das Gespräch mit Norbert Kräuchi verlagert sich in der Folge auf weitere Aspekte des Naturschutzes. Er berichtet über die Herausforderung, die Landwirtschaft für gemeinsame Projekte ins Boot zu holen. Das ist oftmals schwierig, obwohl der Kanton Aargau die ökologischen Direktzahlungen des Bundes an die Bauern mit zusätzlichen finanziellen Beiträgen aufstockt. Dabei ist der Verlust an Nutzflächen für die Landwirtschaft gering, gemäss offiziellen Erhebungen beträgt dieser lediglich fünf bis sechs Prozent. Der Kanton Aargau besitzt 3000 Kilometer Gewässer, davon 800 Kilometer unter dem Boden. Für die Aufwertung von eingedolten Bächen würden lediglich 35 Hektaren benötigt. Dass bei vielen Bauern wenig Bereitschaft für eine Kooperation besteht ist für Kräuchi auch darum schwer zu verstehen, da die Erhaltung der Biodiversität ja gerade auch für die Landwirtschaft sehr wichtig ist.

Abschliessend diskutieren wir noch über die Frage, mit welchen Hochwässern in Zukunft zu rechnen ist. Der Klimawandel wird zusätzliche und grössere Starkniederschläge zur Folge haben. Diese können kurzfristig sehr hohe Abflussmengen an der Aare zur Folge haben. Hochwässer, die früher alle 100 oder 200 Jahre auftraten, können heute alle 50 Jahre oder noch häufiger vorkommen. Stellt sich die Frage, welche Folgen das für die intensiv genutzte Aargauer Kulturlandschaft wie die entlang der Flüsse Aare, Limmat und Reuss haben wird.

Weitere Informationen finden sich unter folgenden Links:

www.ag.ch/auenschutzpark,
https://klimaspuren.ch/wp-content/uploads/2021/05/Aue_Wasserschloss_2015.pdf